Ob Tarifzonen, Tarifwaben oder Tarifbereiche - die unübersichtliche Struktur im öffentlichen Personennahverkehr kann vielen Millionen Menschen seit einem halben Jahr egal sein. Denn seit dem gibt es das Deutschlandticket bzw. 49-Euro-Ticket. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen: Wieviele Menschen nutzen das Deutschlandticket? Was hat das 49-Euro-Ticket bisher gebracht?
Viele sprachen bei der Einführung von einer Revolution für den öffentlichen Nahverkehr: Seit einem halben Jahr gibt es das Deutschlandticket. Nutzer:innen können damit seit dem 1. Mai für 49 Euro im Monat deutschlandweit mit Bus und Bahn im Nah- und Regionalverkehr fahren. Über die unterschiedlichen Tarife und Ticketkategorien der zahlreichen Verkehrsverbünde in Deutschland sollen sich die Menschen keine Gedanken mehr machen müssen. Als “Flatrate für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)” gilt das 49-Euro-Ticket deutschlandweit in allen Linienbussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen, sowie in Nah- und Regionalverkehrszügen. Nutzer:innen schließen es im Abo ab, welches monatlich kündbar ist.
Rund zehn Millionen Inhaber:innen eines Deutschlandtickets gebe es inzwischen, teilt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit. Knapp die Hälfte der Nutzer:innen kommt aus bestehenden Abos, sind also Stammkunden und -kundinnen. Die andere Hälfte war bisher mit Einzelfahrscheinen oder Zeitkarten unterwegs. Diese Fahrgäste konnten somit dauerhaft an den ÖPNV gebunden werden. Acht bis zehn Prozent sind echte ÖPNV-Neueinsteiger oder -Neueinsteigerinnen und fuhren vorher beispielsweise mit dem Auto. Fünf Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket wären laut VDV demnach sonst mit dem Auto zurückgelegt worden.
Eine weitere Umfrage zeigt nun, dass viele Inhaber:innen des Deutschlandtickets ihr Mobilitätsverhalten tatsächlich geändert haben. So sind rund ein Drittel (33 Prozent) der befragten Abonnent:innen insgesamt mehr unterwegs als zuvor, fast ebenso viele (31 Prozent) lassen öfter das Auto stehen, seit sie das Deutschlandticket im Abo haben. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des YouGov-Instituts hervor, die von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Auftrag gegeben wurde. Die Umfrage hat auch ergeben, dass fast jeder zehnte Abo-Besitzer seltener zu Fuß geht oder weniger mit dem Rad fährt weniger. 37 Prozent gaben an, ihr Mobilitätsverhalten nicht umgestellt zu haben. Mehrfachnennungen waren möglich.
Immerhin rund ein Viertel aller Befragten hat das Ticket in den ersten sechs Monaten mindestens für einen Monat erworben. Fast jeder fünfte Befragte gab an, bisher noch kein Deutschlandticket erworben zu haben, sich den Kauf aber vorstellen zu können.
Etwas mehr als die Hälfte der an der Umfrage teilnehmenden Personen (53 Prozent) hatte hingegen noch kein Abo und kann sich auch keinen Kauf vorstellen. Die Gründe dafür: Über die Hälfte (57 Prozent) dieser Personen gab an, überwiegend mit dem Auto zu fahren. Rund ein Drittel vermisst wiederum ein ausreichendes ÖPNV-Angebot in der eigenen Region. Für 15 Prozent der Menschen, die bisher noch kein Abo hatten, ist das Angebot mit 49 Euro zu teuer.
Für die Umfrage wurden zwischen dem 27. und dem 30. Oktober 2120 erwachsene Personen in Deutschland befragt. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die Bevölkerung ab 18 Jahren. Gefragt wurde unter anderem, wie das 49-Euro-Ticket das Mobilitätsverhalten der Menschen geändert hat und aus welchen Gründen Menschen bisher noch kein Deutschlandticket erworben haben.
Über die Zukunft des Deutschlandtickets wird bereits diskutiert, denn unter anderem ist die Finanzierung für 2024 noch offen. Neben einer ungeklärten Finanzierung stellt sich aus Kundensicht auch die Frage, wie das Deutschlandticket weiterentwickelt werden kann, um noch mehr Menschen mit Bus und Bahn bewegen zu können. Zum Beispiel gibt es das Deutschlandticket bisher nur personengebunden. Das bedeutet, allein die eingetragene Person kann das Ticket nutzen. Das macht das Ticket jedoch unflexibel. Eine kundenfreundliche Regelung für die Zukunft kann sein, die Mitnahme von Familienmitgliedern, Freunden oder Haustieren zu ermöglichen. Zumindest für das Wochenende oder an Werktagen beispielsweise ab 20 Uhr, wie das bereits bei Zeitkarten oder dem Jobticket einiger Verkehrsverbünde möglich ist. So könnten zukünftig mehr Menschen angesprochen werden, die den Ticketkauf bisher aus wirtschaftlichen Aspekten nicht in Erwägung gezogen haben.
Bei deutschen Firmen kommt das 49-Euro-Ticket gut an. Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden das Deutschlandticket Jobticket als Dienstwagenalternative an. Dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge sind rund 15 Prozent der bislang rund 10 Millionen verkauften Deutschlandabos Jobtickets.
Mehr als die Hälfte der großen Unternehmen in Deutschland bietet das Deutschlandticket-Abo ihren Beschäftigten als Jobticket vergünstigt an. Bei einer Umfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace unter den 90 im Dax und MDax gelisteten Konzernen haben 46 der angefragten Unternehmen angegeben, dass sie ihren Mitarbeitenden ein Deutschlandticket Jobticket zur Verfügung stellen. 31 Konzerne gaben an, die Jobticket-Regelung nicht zu nutzen. Bei einem Unternehmen ist das Deutschland-Jobticket in Planung. Zwölf Unternehmen haben Greenpeace bisher keine Antwort gegeben.
Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden das Deutschland-Jobticket mit mindestens 25 Prozent bezuschussen, unterstützt der Staat das mit weiteren 5 Prozent. Der Greenpeace-Umfrage zufolge nutzen rund ein Drittel (16) der angefragten Unternehmen diese Rabatt-Regelung. Die übrigen 30 Konzerne subventionieren das Ticket noch stärker. Bei sechs Unternehmen übernimmt der Arbeitgeber sogar die kompletten Kosten des Ticket-Abos. Bei diesen Unternehmen zahlen Beschäftigte nichts für das Angebot.
Mitarbeitende von Unternehmen können das Deutschlandticket von ihrem Arbeitgeber als Jobticket günstiger erhalten. Bieten Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden das Deutschlandticket an und bezuschussen es mit mindestens 25 Prozent, übernimmt der Bund weitere 5 Prozent des Ticketpreises. So können Mitarbeitende mindestens 30 Prozent sparen und zahlen maximal 34,30 Euro pro Monat für ein Deutschland-Jobticket. Deutlich weniger als die 49 Euro des Originalticketpreises. Auch für Arbeitgebende hat das Vorteile. Sie können die Kosten, die sie für das Jobticket in Form eines Arbeitgeberzuschusses übernehmen, als Geschäftsausgaben bzw. Aufwendungen für den Arbeitnehmer von der Steuer absetzen.