Mehr als 60% der Top-Manager:innen wollen alle Mitarbeiter:innen täglich, das heißt fünf Tage in der Woche, ins Büro zurückholen. Noch interessanter ist, dass 90% von ihnen sogar dafür bezahlen würden. Dieser Sinneswandel - es ist noch nicht lange her, dass wir alle unseren täglichen Coffee-Talk virtuell abhielten - hat sich nach der Pandemie vollzogen, und er kommt nicht nur von traditionellen Unternehmen, sondern auch von den großen Tech-Unternehmen wie Meta, Microsoft und Apple.
Auf der anderen Seite wird die "Große Rückkehr" von den Arbeitnehmer:innen nicht uneingeschränkt positiv aufgenommen. Zwar arbeitet fast die Hälfte der Beschäftigten wieder Vollzeit im Büro, aber nur 18% wollen es wirklich. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer:innen bevorzugt hybride Arbeitsformen, bei denen einige Tage im Büro und einige Tage von zu Hause aus gearbeitet wird.
Wie können Unternehmen also diese Widerstände gegen die Rückkehr ins Büro überwinden, um die Produktivität hoch und die Fluktuation niedrig zu halten?
Um eines der derzeit heißesten HR-Themen zu beleuchten, veranstaltete NAVIT am 16. November 2023 in seinem Büro in Berlin seine erste Veranstaltung und brachte fünf erfahrene HR-Führungskräfte zu einer aufschlussreichen Podiumsdiskussion über die Zukunft der Arbeit zusammen.
Die Podiumsteilnehmer:innen teilten ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrungen darüber, wie eine integrative Unternehmenskultur geschaffen und gepflegt werden kann, und sprachen über neue Herausforderungen, Trends, Strategien und Best Practices, die jeder Personalverantwortliche kennen muss, wenn es um Hybrid Work und Back-to-Office geht.
Die Gäste auf dem Panel waren:
Meg Telson, Head of People, GetYourGuide
Eric Grieben, Chief Operations Officer, Lendis
Julia Carloff-Winkelmann, Chief People Officer, Dance
Vera Schnabel, Head of People & Culture, Gymondo
Lisa Rieh, Principal Organizational Culture, Babbel
Die von Cori Moore moderierte, anregende Diskussion gipfelte in einer spannenden Q&A-Session, bei der die brennendsten Fragen des Publikums beantwortet wurden.
Hast du die Veranstaltung verpasst? Keine Sorge, wir haben die wichtigsten Erkenntnisse für dich zusammengefasst.
"Entscheidend ist die Kultur, Kommunikation, Identifikation zu fördern - das Wie ist weniger wichtig. Und man sollte sich nicht verrückt machen, wenn das perfekte Setup noch nicht gefunden wurde; es ist ein Work-in-Progress, an dem alle arbeiten."
Es gibt kein endgültiges Richtig oder Falsch, wenn es darum geht, Menschen wieder ins Büro zu bringen. Das ultimative Ziel ist die Förderung einer Kultur der Kommunikation und Identifikation, und es ist weniger entscheidend, wie du dies erreichst (hybrid, vor Ort, usw.). Sei nicht beunruhigt, wenn du noch nicht die perfekte Lösung gefunden hast; daran arbeiten alle, auch die großen Konzerne.
Lass dich auf den Weg zu einem Arbeitsplatz ein, der euren individuellen Bedürfnissen entspricht. Das bedeutet auch, den einzelnen Teams zuzuhören (für manche Teams ist es einfacher, remote zu arbeiten, für andere nicht, z. B. Engineering vs. Vertrieb), gemeinsam mit ihnen eine Lösung zu finden und regelmäßige Feedbackschleifen zu führen, um zu bewerten, wie die Dinge laufen. Die Welt hat sich ebenso verändert wie die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen.
"Genau wie beim Fan sein einer Fußballmannschaft geht es bei der Kultur darum, gemeinsame Erfahrungen zu schaffen. Ob vor Ort oder aus der Ferne, es ist das Miteinander, das zählt."
Da sich Unternehmen in einer sich wandelnden Welt zurechtfinden müssen, ist wird die Kultur immer wichtiger. Dies erfordert, dass die Unternehmen darüber nachdenken, was den Kern ihrer Kultur ausmacht und wie die Arbeit von zu Hause oder im Büro diese Kultur positiv oder negativ beeinflussen wird.
Auch hier gibt es kein Schwarz und Weiß, jedes Unternehmen würde Kultur anders beschreiben, aber letztlich geht es um "Identifikation" (Vera, Gymondo) und "eine Kultur der Zugehörigkeit" (Lisa, Babbel). Auch wenn dies Remote schwierig zu bewerkstelligen ist, kann einer der Schlüssel darin bestehen, "in Communities zu investieren und sie beim Aufbau einer Kultur im Büro zu unterstützen" (Lisa): Denn Communities entstehen in Unternehmen natürlicherweise, wie z. B. Expat-Gemeinschaften, Board-Gamer und Foodies. Gib ihnen einen Raum im Büro und ein gewisses Budget. Dabei geht es nicht so sehr um produktive Arbeit, sondern um das, was das Unternehmen und das Büro besonders macht. Und dann geht es wieder viel um Kommunikation: Kultur manifestiert sich im Verhalten. Es hilft Rituale einzuführen. Das funktioniert auch in schriftlicher Form oder in einem Videoanruf.
Wie Eric (Lendis) es ausdrückt: Kultur ist vergleichbar damit, Fan von einer Fußballmannschaft zu sein. Auch wenn man nie in Dortmund gelebt hat, kann man sich mit der BVB-Kultur verbunden fühlen. Wenn man jedoch mit den anderen Fans im Stadion ist, ist das ein unvergleichliches Erlebnis. Genauso wichtig ist es, gemeinsame Erlebnisse am Arbeitsplatz zu schaffen. Ob vor Ort oder aus der Ferne, es geht darum, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen, das über die virtuelle Welt hinausgeht.
"Für den Erfolg müssen die Mitarbeiter:innen einbezogen werden. Ein Top-Down-Ansatz wird nicht ausreichen. Es gilt Vereinbarungen zu schaffen, die von allen gerne angenommen werden."
Top-down-Strategien allein werden nicht ausreichen. Man kann und sollte niemanden ins Büro zwingen, das impliziert im Grunde, dass jemand eine Entscheidung über jemand anderen trifft. Zwang führt also oft zu Distanz und damit schafft man das, was man eigentlich verhindern wollte.
Schaffe stattdessen Anreize - und "es sind keine harten Geldanreize" (Lisa, Babbel) -, die das Büro zu einem besonderen Ort machen, gib den Mitarbeiter:innen ein Verständnis dafür und "sprecht über die höheren Ziele, warum wir das eigentlich tun und wie der Weg aussieht" (Vera, Gymondo), damit sie motiviert sind, wiederzukommen.
Um die neue Normalität erfolgreich zu meistern, "ist die Einbeziehung der Mitarbeiter:innen der Schlüssel, um Lösungen zu finden, die die eigentliche Herausforderung angehen" (Vera). Es geht darum zu verstehen, welche Regelungen wirklich von allen akzeptiert und gelebt werden. Ein kollaborativer Ansatz stellt sicher, dass Maßnahmen nicht einfach diktiert, sondern mitgestaltet werden, was zu einem Arbeitsplatz führt, an dem sich jeder gehört und wertgeschätzt fühlt.
"Es ist ein ständiger Prozess und eine Entwicklung, um die richtige Einstellung zu finden. Definiere und biete eine Position als Unternehmen an, aber sei dir bewusst, dass du diese an dein Team und an die Situation in deinem Unternehmen anpassen musst."
Es ist ein heikles Thema, Mitarbeiter:innen, die sich ans Homeoffice gewöhnt haben, wieder ins Büro zu bringen. Unternehmen sind gut beraten, nichts zu überstürzen, indem sie ihre Mitarbeiter:innen zwingen, wieder Vollzeit im Büro zu arbeiten, nur weil "wir das früher immer so gemacht haben und es besser funktioniert hat". Stattdessen sollten sie dem Ganzen etwas Zeit geben und die Mitarbeiter:nnen aktiv einbeziehen, um ihre Bedürfnisse und Bedenken zu verstehen. Es ist ein Prozess, es ist eine Entwicklung, um die richtige Einrichtung zu finden. Manchmal geht es um Trial & Error’, um Feedback und um die Anpassung an das Team und die Situation. Vor allem aber ist es von entscheidender Bedeutung, sowohl für die Mitarbeiter:innen als auch für die Unternehmen das Richtige zu tun.
"Die Zeiten ändern sich. Das Rad wird sich nicht zurückdrehen lassen. Fully-Remote wird nicht funktionieren, genauso wenig wie die vollständige Arbeit im Büro. Hybride Arbeitsformen holen das Beste aus beiden Welten heraus."
Es ist klar: 100% Büro ist ein Risiko für die Mitarbeiterbindung. In Zeiten des Fachkräftemangels und des "War for Talent" ist das Risiko, Talente zu verlieren, real und groß genug. 62% der Arbeitnehmer:innen fühlen sich produktiver, wenn sie im Home Office arbeiten. Gleichzeitig "kann man sich bei In-Person-Meetings besser auf den Aufbau von Vertrauen und Teambuilding konzentrieren" (Julia, Dance), und da "Erfahrungen im Allgemeinen persönlich gemacht werden, ist es oft am sinnvollsten, persönlich vor Ort zusammenzuarbeiten" (Meg, GetYourGuide). Es gilt eine Melange aus beiden Arbeitsformen zu kreieren.
Hybrides Arbeiten gewinnt also und wird sich durchsetzen. Die meisten Unternehmen arbeiten besser mit 2-3 Tagen Büropräsenz pro Woche.
Das NAVIT HR-Panel "How to Overcome Back to Office Resistance" fand am 16. November 2023 im NAVIT Büro in Berlin mit folgenden Gästen statt:
Meg Telson, GetYourGuide
Eric Grieben, Lendis
Julia Carloff-Winkelmann, Dance
Vera Schnabel, Gymondo
Lisa Rieh, Babbel
Ein großes Lob an unsere Podiumsteilnehmer:innen, die nicht nur die Diskussion bereichert, sondern auch die Stage mit ihrem Fachwissen und ihrer Begeisterung gerockt haben, und ein besonderer Dank an unsere Moderatorin Cori Moore. Wir möchten uns auch bei allen bedanken, die an dieser Veranstaltung teilgenommen haben. Auf viele weitere aufschlussreiche Diskussionen und gemeinsame Momente. Stay tuned for 2024!